Die
meisten Menschen glauben nicht an Gespenster. Jedenfalls glaube ich,
dass die meisten Menschen, gegeben des Falles, man würde sie auf der
Straße ansprechen und sie nach der Existenz von Gespenstern fragen,
selbige verneinen würden.
Ich
bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass es bei mir spuckt. Früher
war mir sein Dasein nicht so bewusst, aber je mehr ich darüber
nachdenke, desto eher komme ich zu dem Ergebnis, dass seine
omnipräsente Anwesenheit nicht zu leugnen ist. Besonders Nachts
treffe ich jüngst immer häufiger auf diesen Zeitgeist.
Zugegeben,
er begegnete mir auch nicht einfach so. Er hängt sich immer an
Ereignisse - ihn ohne sie auszumachen zu wollen ist ein vergebliches
Unterfangen. Viele Menschen haben das Bedürfnis seine Anwesenheit
mitzuteilen. Bob Dylan. #forthetimestheyarea-changin´
Oft
verliert man Dinge und wird sich plötzlich seiner Anwesenheit
bewusst. Menschen sind negative Geschöpfe. Selten halten sie einen
Moment inne und gedenken ihrer derzeitig allzu guten Lage. Aber oft
jammern sie und klagen an, wenn es die Zeit mit ihnen gerade nicht
gut meint.
Ich
habe sie jüngst verloren. Und ich meine nicht die Zeit. Und
dann wurde mir wieder seine Anwesenheit bewusst. Der Zeitgeist. Er
sorgt dafür, dass Momente funktionieren. Das kann banal sein: Ich
hatte hunger und da war etwas zu essen. Oder bedeutungsvoll:
Ausgerechnet an dem Tag, an dem ich eine neue Episode meines Lebens
begann, traf ich auf sie. Wer hat dieses Ereignis
ausgerechnet? Der Zeitgeist. Wann macht er mir das Bewusst? Mitten in
der Nacht, wenn er neben meinem Bett steht und mich aufweckt.
Sein
Dasein hat viele Entitäten, er konstituiert sich für uns meist in
Form von Erinnerungen. Er ist das Passen des Moments, dieses
flüchtige Erscheinen. Er war als wir beide gleichsam
orientierungslos waren, diese zusammenfließende Planlosigkeit. Dein
nach vorn gerecktes Kinn, deine zurückgezogenen Schultern, die
Ellenbogen hinter deinem Torso und die geöffneten Handflächen der
unversöhnlichen Gesellschaft entgegen haltend . "Was denn,
Arschloch?" frugen deine zusammengekniffenden Lippen
bewegungslos. Ich pflichtete dir bei. Zuerst gibt es oft gemeinsame
Ablehnung.
Aber
schnell merkt man dann, dass im Differenzprinzip des Daseins eine
Ablehnung gleichzeitig eine Zustimmung ist. Sich auf Ablehnung zu
einigen ist leicht, #partnerincrime. Die selben Schlüsse aus der
folgenden Zustimmung zu ziehen ist der wahre Kunstgriff und das weit
größere Projekt. Man hat auch meistens mehr als ein Projekt zur
Zeit an den Hacken.
Der
Zeitgeist gibt mir zu verstehen, dass es nie mehr eine so heroische
Ablehnung wie die unsere geben wird. Nicht in diesem Leben, nicht so
krass, so kompromisslos. Dafür sind wir beide zu alt geworden.
Immerhin sind wir ein ganzes Stück gemeinsam gealtert. Wert und
Bewusstsein festigt sich nicht von heute auf morgen.
Nietzsche
beschreibt unseren Prozess in den drei Verwandlungen. Ich bin sicher,
dass er es für uns geschrieben hat. Für unseren Zeitgeist, der sich
vom genügsamen Kamel zum selbstbestimmten Löwen entwickelte, um
letztendlich hier zu landen: Unschuldige Kinder.
Frei
von richtender Gesellschaft gibt es keine Schuld. Wir sind keine
Kamele, wir tragen keine Schuld. Und wir, wir stellen irritiert fest,
dass unsere Neuanfang nicht zueinander passen will. Meine Welt hab
ich mir gewonnen, deine Welt hast du dir gewonnen. Nur die unsere
ging unter.
Mit
den Worten "Wir waren echt gut." weckt mich der Zeitgeist
morgens um fünf. "Komm trink auf uns. Den guten Whiskey."
Und ich trinke auf uns. Nicht um zu vergessen. Sondern für die
Geste.
for
the times, they are a-changin´.